Laudatio Manfred Blieffert
Reinhart Richter – Ein kultur-politischer Überzeugungstäter
Sehr geehrte Frau Landrätin Kebschull, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Griesert, meine sehr geehrten Damen und Herren
Ich habe zu berichten von einem kulturpolitischen Überzeugungstäter, ausgestattet mit einer hohen Tendenz immer wieder rückfällig zu werden.
Aber gestatten Sie mir zum Beginn und zum Ende meiner Ausführungen zwei persönliche Begebenheiten einzuflechten.
1986, als ich meine Stelle an der Osnabrücker Musik&Kunstschule angetreten habe, musste ich ein Vierteljahr zwischen Berlin und Osnabrück pendeln. Immer im Gepäck ein dicker Wälzer mit dem Titel „Kunst & Kulturarbeit“, herausgegeben vom Modellversuch Künstlerweiterbildung in Berlin. Darin wurden soziokulturelle Projekte dargestellt aus Berlin, Nordrhein-Westfahlen und Osnabrück. Und die beiden Zauberworte, die dies bewirkt hatten, trugen den lyrischen Titel „Kulturentwicklungsplan I“ und „Kulturentwicklungsplan II“.
Ich hätte damals nicht gedacht, dass sich meine Wege mit einem der Väter der Kulturentwicklungspläne immer wieder, bis heute, kreuzen würden.
Joseph Beuys sagt: DAS ATELIER IST ZWISCHEN DEN MENSCHEN er meint damit, dass sich der eigentliche kreative Prozess zwischen den Menschen abspielt.
GENAU DAS BEWIRKT REINHART RICHTER!
Er ist nicht nur Vordenker, sondern er packt die Dinge auch an, die ihm auffallen, ihn jucken, ihm auch Spaß machen, wo er Veränderungs-, Verbesserungspotential sieht, und dazu trommelt er Mitdenker*innen und Mitstreiter*innen zusammen. So entsteht aus einer Idee ein Kern, der sich ausdehnt, auf eine Stadt, in die Stadtbevölkerung, in die Gesellschaft, – eine Soziale Plastik, ganz im Beuysschen Sinne.
Er begreift seine – im Übrigen völlig uneigennützigen – Vorschläge und Initiativen zur Stadtentwicklung, zur gesellschaftlichen Entwicklung, zur Friedenskultur, zur interreligiösen Verständigung, Ideen, die ich hier wirklich gar nicht alle aufzählen kann, als kulturelle Phänomene, die zur Weiterentwicklung der Stadtgesellschaft und allgemein zu gesellschaftlichen Zusammenhalt elementar beitragen.
Uns allen ist sein großes Projekt Plan B, das Alternativkonzept für das Neumarktquartier bekannt. Das Projekt, das er seit 2017 zusammen mit dem von ihm entwickelten Arbeitskreis hartnäckig verfolgt. Die Idee eines kulturellen Begegnungszentrums, einer neuen Stadtbibliothek, gerne auch in Verbindung mit der Universitätsbibliothek, ist aus den nachfolgenden Konzepten der neuen Planer und Eigentümer nicht mehr wegzudiskutieren.
Oder, viel kleiner, eineinhalb Quadratmeter: der offene Bücherschrank in der Telefonzelle im Stadtteil Wüste, von unbekannten Brandstiftern abgefackelt. In aller kürzester Zeit mit lokalen Firmen und Künstlern wieder neu installiert. Ein Beweis dafür, dass dieses offene Literaturangebot Identität schafft. Und daraus entsteht dann ein Stadtteilprofil: Die Wüste liest – der Stadtteil der Bücher liebt
Im Großen wie im Kleinen sind dies auch Initiativen zur Befriedung der Stadtgesellschaft!
Reinhart Richter geht bei der Realisierung seiner Visionen voll ins Risiko, auch finanziell, aber meistens gewinnt er. Zulange über Risiken nachzudenken und diese abzuwägen würde ihm genauso wie lange Debatten zu viel Zeit kosten.
So wie die Gründung der Skulptur-Galerie gegenüber der Kunsthalle im Jahr 2017. Und um das Ganze tragfähiger zu machen, löst er sich beizeiten von seinen – ich möchte sagen – Kindern, und übergibt sie beispielsweise dem neu gegründeten Verein Dreidimensional e.V.
Mit einer der Vitrinen in der Kunststraße Dielinger Straße widmet er sich den von Vergessenheit bedrohten Osnabrücker Künstler*innen wie Kurt Staperfeld, Ursula Daphi oder Rolf Overberg, und das in einer Stadt, in der es überhaupt keinen Ankaufsetat für die Arbeiten der lokalen Künstler*innen gibt – Stichwort Kulturelles Gedächtnis? Wer ist dafür verantwortlich?
Aber trotz seines – Entschuldigung – nicht mehr ganz jugendlichen Alters hat er ein Auge auch für die junge Kunst, so als Gründungsmitglied der Urban Artinitiative oder mit der Einrichtung des Atelierhauses am Hasetorwall für junge Künstler*innen am Ende des Studiums.
Es gibt eine interessante Immobilie – was kann man dort auf die Beine stellen? – Wer kann zur Finanzierung mit ins Boot? – und dann: Machen! – und schon ist ein neuer kultureller Baustein etabliert.
Er ist ein Macher mit Zukunftsvisionen, und man hat den Eindruck, dass er immer mehr vor Ideen sprudelt und alles zum Wohle Osnabrücks, insbesondere für die Kultur.
Zum Schluss: So gegen 2006/07 tagte der Arbeitskreis Kultur der SPD in der Musik&Kunstschule. Unsere Leiterin Sigrid Neugebauer-Schettler für die Musik, und ich als ihr Stellvertreter für die Kunst, hatten unseren Laden vorzustellen. Wir berichteten davon, dass sich die Schülerzahlen, aufgrund der Vorgaben der Kulturentwicklungspläne, mit den Schulen zu kooperieren, von 1700 auf 6000 gesteigert hatten. Die konsequente Erfüllung dieser kulturpolitischen Aufgabenstellung hatte uns über manche Konsolidierungsrunde hinweggeholfen. Reinhart Richter meldete sich im Anschluss zu Wort mit der Bemerkung, er hätte es sich bei der Verabschiedung der Kulturentwicklungspläne nicht annähernd träumen lassen, dass die Musik&Kunstschule durch die Pläne einen so positiven Weg einschlagen würde.
Für uns war das wie ein Ritterschlag. Durch – Reinhart Richter!
Neuste Kommentare